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RECHENZENTRUM VS. VERTOV: ENTUZIAZM 2010 |
// June 26, 2010
// Roter Salon, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
RECHENZENTRUM vs. VERTOV: ENTUZIAZM 2010
Filmkonzert mit MARC WEISER (RECHENZENTRUM) und dem sowjetischen Filmklassiker ENTUZIAZM (1930) von DZIGA VERTOV
Im Rahmen der Konferenz IDEE DES KOMMUNISMUS.PHILOSOPHIE & KUNST, vom 25.–27.6. in der Volksbühne.
Mehr Infos zur Konferenz unter www.volksbühne-berlin.de
Einführung: Michael Loebenstein (Filmmuseum Wien)
"Entuziazm, Vertovs erster Tonfilm aus dem Jahr 1930, führt eine Beziehung zwischen Mensch und Maschine vor, in der die Versöhnung von Arbeit und Spiel verwirklicht scheint. Inmitten des ohrenbetäubenden Lärms und des unheilvollen Qualms, die aus dem Schlund einer Hölle aufsteigen, entsteht das Bild einer produktiven Symbiose von Mensch und Industrie.
Doch Vertov begnügt sich nicht mit dieser Inszenierung der Arbeit. Selbst ihrer Lobpreisung gewinnt er Analytisches ab: Nicht, weil die Ursache der Entfremdung verschwunden wäre, sondern weil Entfremdung zur Regel geworden ist, kann er ein Bild abstrakter Arbeit entwickeln. Wie mit dem Ton, der in seiner Rauheit, Ungebändigtheit und Intensität bis heute in der Filmgeschichte seinesgleichen sucht, muss Vertov auch visuell den schönen Schein verletzen. (Klemens Gruber)
"Der optimistische Avantgardefilm "Entuziazm (Simfonija Donbassa)" begleitete 1930 voller Zuversicht den Start des sowjetischen 5-Jahresplans. Die Utopie eines autarken industriellen Kommunismus sollte Wirklichkeit werden - ebenso wie die Utopie eines von narrativen Zwängen befreiten Tons im Film. Das Ende der Zeit des stummen Films und der illustrierenden Orgel im Kino war gekommen. Jetzt machten die Originalgeräusche der Maschinen, vor Ort aufgenommen, die Musik. Kunst- und Politavantgarde reichten sich brüderlich die Hand, bereit zum gemeinsamen Kampf. 1930 war aber auch schon das letzte Jahr der großen Aufbruchstimmung. Stalin übernahm die Regie. In seinen Ohren dröhnte eine Kakophonie. Doch Regisseur Vertov konnte seinen "Entuziazm", wenn auch von 3.100 auf 1.800 Meter gekürzt, fertigstellen. Der Film wurde ein Klassiker. Dann geriet er in Vergessenheit. 1973 kam "Die Donbaß-Sinfonie - Enthusiasmus" in die westdeutschen Kinos. Ein Schattendasein." (Dietrich Kuhlbrodt)
Der Film wird in einer vom Filmmuseum Wien restaurierten Fassung gezeigt.
Der Medienkünstler Marc Weiser baut in seiner elektronischen Klangbearbeitung auf der originalen Tonspur des ersten Tonfilms von Dziga Vertov auf. Er nähert sich dem Original dabei sowohl mit einer additiven als auch mit einer kontrapunktischen Herangehensweise.
Im additiven Ansatz wird der Originalton vollständig beibehalten und nur mit wenigen Klängen subtil unterstützt, um die Synchronität von Bild und Ton des Originals für das Publikum erfahrbar zu machen. Besonderen Wert wird auf die Erhaltung der restaurierten Sequenzen gelegt, die eindrucksvoll die hohe Musikalität des montierten Materials belegen.
Für den kontrapunktischen Ansatz beruft sich Marc Weiser auf S.M. Eisenstein, W.I. Pudowkin und G.A. Alexandrow. Sie schreiben in ihrem 1928 verfassten Manifest zum Tonfilm: “Nur eine kontrapunktische Verwendung des Tons in Beziehung zum visuellen Montage-Bestandteil wird neue Möglichkeiten der Montage-Entwicklung und Montage-Perfektion erlauben. Die erste experimentelle Arbeit mit dem Ton muss auf seine deutliche Asynchronisation mit den visuellen Bildern gerichtet werden. Nur eine solche Operation kann die notwendige Konkretheit herbeiführen, die später zur Schaffung eines orchestralen Kontrapunktes visueller und akustischer Bilder führen wird.”
Marc Weiser setzt hier sein eigenes akustisches Material ein, in dem zum Teil die neoliberalistische Arbeitswelt anklingt und das damit auch als Kommentar zum Blick des Originals auf die Industrialisierung zu lesen ist. In der Bearbeitung bedient er sich der Computertechnologie als vertikalem Montage-Instrument, um in die sedimentierten Inhaltsschichten des akustischen Reservoirs einzudringen und sie auf ihre rhizomatischen Fähigkeiten zu untersuchen.
Seiner Idee von Montage ist dabei ein antilogischer Impetus eingeschrieben, der die lineare Kausalität gegen eine aleatorische Offenheit eintauscht. Diese Offenheit macht es Marc Weiser möglich, in der Verbindung von additiver und kontrapunktischer Herangehensweise aus dem Originalton heraus eine Übersetzung ins 21. Jahrhundert zu schaffen.
> www.weisermusic.com |
> June 26, 2010
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