Andreas L. Hofbauer
We’re not here to entertain!
22 Beiläufigkeiten zum Werk des Genesis Breyer P-Orridge
"nothing has to be accepted that I was given"
Genesis Breyer P-Orridge
"Es ist ziemlich lange her, dass mein Freund und ich Sex hatten, während eine Schallplatte lief (selbstverständlich hören wir dabei Alben und keine Singles . . .). Vor ein paar Tagen kam er in meiner Wohnung an der Left Bank vorbei und was dann passierte lässt mich immer noch rätseln, was aus unserer Beziehung wohl werden mag. „Ich habe hier eine Platte wir müssen es dazu treiben; es passt ganz einfach.“ Das Cover war weiß und sah recht nett aus. Also gut; wir knipsten das Licht aus, zogen die Vorhänge zu und starteten den Plattenspieler. Er war gut und die Platte passte. Aber als ich fragte wer das sei, sagte er bloß: „Throbbing Gristle“. Mein Englisch ist ziemlich gut, und ich verstand, was das bedeutete. Die Track-Titel machten mir Angst und sie sahen böse aus und selbst jetzt ist mir ein wenig übel, wenn ich daran denke, was wir dann zur Musik dieser bösen englischen Leute trieben. Ich habe keine Ahnung, wohin es nach all dem gehen soll."
Michelle, Rue Jean Barne, Paris (Leserbrief, abgedruckt 1978 in Sounds)
Genesis Breyer P-Orridges
[1] künstlerisches Schaffen ist Legion. Seit den späten 60er Jahren agiert er als Aktionskünstler, Performer, Musiker, Maler, Mail-Artist, Pamphletist, Magier, Produzent, Fotograf und als vieles mehr. Sein erstaunliches Œuvre erstreckt sich von Live-Musik-Performances zu DJ-Aktivitäten, bildnerischen Kollagen und Assemblagen, Drehbuch- und Filmmusikarbeiten, Infrasound-Experimenten und spektakulären Co-Produktionen und Kollaborationen (etwa mit Derek Jarman, William S. Burroughs, Terence McKenna und Timothy Leary um nur einige zu nennen). Gemeinsam mit Monte Cazzaza inaugurierte er den Begriff „Industrial Music“ und löste damit auch eine gegenkulturelle Bewegung aus, die gegenwärtig schon wieder Geschichte oder erschöpfte Subkultur ist, deren bestimmender Einfluss noch auf die gegenwärtige elektronische Musikszene jedoch unübersehbar bleibt. Er arbeitete in vielerlei Kollektiven, deren Sprachrohr er war und ist (wobei auch retrospektiv seine Deutung derlei Gruppenaktivitäten bei seinen Combatanten durchaus kritisch gesehen wird). So etwa anfänglich in dem im Kunst(hochschul)kontext und später im High Art Kontext agierenden
Coum Transmissions (zuerst gemeinsam mit Cosey Fanny Tutti); später in der Musikformation
Throbbing Gristle (gemeinsam mit Tutti, Chris Carter und Peter Christopherson); er produzierte mit seinen
Industrial Records (IR) Tonträger in seiner
Death Factory und gründete (gemeinsam mit Christopherson)
Psychic TV. Er ist Mitbegründer des
T.O.P.Y (Thee Temple of the Psychick Youth) und löste diesen auch wieder auf. In neuerster Zeit finden neben zahlreichen Ausstellungen (seiner Bilder und Photographien, nichtzuletzt seiner eigenen chirurgischen Körper-Transformation) sowie seinen DJ-Tätigkeiten auch wieder Bemühungen zur Reunion von
Throbbing Gristle (
TG: Re) statt.
Im Folgenden wird von all diesen Dingen kaum die Rede sein. Zahllose Fanzines, Websites, Artikel und das unverzichtbare Buch Simon Fords
[2] geben dazu überreichlich Auskunft. Auch ist der Strom der Gerüchte und Legenden auf den keine Fama verzichten darf niemals versiegt. Stattdessen knappe Beiläufigkeiten, die gar nicht den Anspruch erheben, Statements zu werden; von Vollständigkeit ganz zu schweigen.
1. Jenseits der stabilen Zugriffsmuster von Unterhaltung und Spektakel, von selbstreferenzieller High-Art und der allgegenwärtigen Pop-Attitüde, gegen das Gefasel der neuen/alten Rock’n’Roll Helden, ihrer Band-Ver- oder Entbrüderungen, ihren Fans und den sie bedienenden Großindustrien, gibt es immerhin Aktionen, die sich
quer stellen. Sie impfen Erstgenanntes mit einem zerstörerischen Keim, der die ideologischen Fundamente zersetzt. Manche Performances, oder in unserem Falle hier besser
Aktionen (worunter man zuweilen auch ein DJ-Set verstehen darf vorallem dann, wenn dieses über
weniger als 130 bpm verfügt), schreiben sich durch ihre radikale Auslieferung und unike Selbsttransformation in die genannten Gefüge ein, ohne von diesen geschluckt zu werden.
2. Im Werk Genesis Breyer P-Orridge’ (und seiner MitstreiterInnen) trifft man seit Beginn auf eine radikale Auseinandersetzung mit Transgender, Sexualität, Crossdressing, Radical-Queer, Pornographie, Sexualmagie und Hedonismus. Diese Momente werden in diversen Darstellungsformen exponiert. Genesis Breyer P-Orridge selbst verändert eben dies Selbst zu einem S-E-LF. Das antipapistische doppelseitige
Psychic Cross [YXCVBNMZUERSETZEN!], das er zeitweilig verwendete, bringt die Doppelseitigkeit, Verkehrung und gegenideologische Verwendung klar zum Ausdruck. Nicht mehr das Spiegelspiel von
I und
Eye steht im Vordergund, sondern der Spiegel wird zur Schwelle einer magischen Durchdringung. Diese Pandrogynität verlangt nach einem anderen
E. Einer Radikalisierung der Selbsttransformation.
Becoming E. Damit wird die identifikatorische Praxis unter Leitung des
Ich unterbrochen und der Körper einem
Werden überantwortet, das nicht
zu sich findet, sondern anderes S-E-LF produziert. So entstehen Singularitäten, deren Idiosynkrasien ausschweifen. Ein
gender blending also, dessen
blending die antike griechische Vorstellung der
krasis nicht allein in Betracht zieht sondern in Totalanschlag bringt. Eine Mischung, die nichts mit einer
mixis zu schaffen hat, bei der die Mischungskomponenten in einem nachträglichen Vorgang wieder getrennt werden können.
[3] Die
krasis ist die ultimative und endgültige Mischung, die ein Drittes entspringen lässt. Was dergestalt flieht oder ausfliegt ist schärfste Attacke gegen oder Konfrontation einer
krisis als Teilung der Entscheidung. Antithese zu jedem Versuch, den Krieg zu hegen, weiterhin im Rahmenwerk der Dualismen zu nisten und dieses durch strategische Verfügbarmachung und hierarchische Verteilungslogik zu stabilisieren. Durch Genesis Breyer P-Orridges Eingriffe und Veränderungen seines Körpers folglich auch eine
radical-queer-attack. Die Freisetzung eines Programms ist anvisiert, das sowohl vom Instinkt, als auch von der encodierten DNA-Information gespeist wird. Kurz: Zuerst die Einschreibung eines Begehrens in eine wie auch immer geartete „Tiefenstruktur“, und dann der anschließende
Ausbruch dieses Begehrens im Leib des oder der Einschreibenden mit ungeahnten Konsequenzen und als neues Fleisch.
[4]
3. Das bedeutet nicht zuletzt auch eine schroffe Absage an die bornierte Identitätsversessenheit und das peinliche Anerkennungs-BlaBla des Gay- and Lesbian-Establishments.
4. Ähnliches muss folglich auch für den Umschlagplatz
Musik zur Geltung kommen:
"It can be said [...] that sampling, looping and re-assembling both found materials, and site specific sounds selected for precision ov relevance to thee message implications ov a piece of music, or a Transmedia exploration, is an All-Chemical, even a Magickal phenomenon. No matter how short, or apparently unrecognisable a „sample“ might be in linear TIME perception, E believe it must, inevitably, contain within it, (and accessible through it) the sum total ov absolutey everything its original context represented, coumunicated, or touched in any way; on top ov this it must implicitly also include thee sum total ov every individual in any way connected with its introduction and construction within thee original (host) culture, and every subsequent (mutated or engineered) culture it in any way, means or form, has contact with forever, (in Past, Present, Future and Quantum Timezones). [...] Let us assume then that every „thing“ is interconnected, interactive, interfaced and intercultural. Sampling is all ways experimental, in that thee potential results are not a given. We are SPLINTERING consensual realities to TEST their
substance utilising thee tools ov collision, collage, coumposition, decoumposition, progression systems, „random“ chance, juxtaposition, cut ups, hyperdelic vision and any other method available that melts linear conceptions and reveals holographic webs and fresh spaces. As we travel in every direction simultaneously thee digital highways ov our Futures, the „Splinter Test“ is both a highly creative contemporary channel ov conscious und creative „substance“ abuse, and a protection against the restrictive depletion ov our archaic, algebraic, analogic manifestations."
[5]
5. Eine karnale Sigille demnach, die die Felder des Auditiven, Visuellen und Körperlichen einholt, um Energien freizusetzen, die dann nicht bloß auf dem Level der Psychogenese wirksam werden, sondern eine pansexuelle, fleischliche Umformung in Gang setzen. Durchaus eine Auseinandersetzung, die auf dem einem Ende der Skala mit Maurice Merleau-Pontys Konzept des
chair in Verbindung gebracht werden kann, wie auf dem anderen Ende der dunkle Stern eines Austin Osman Spare leuchtet.
[6]
6. Musik aber auch im buchstäblichen Sinn eine Waffe, deren Logik nicht länger dem Block des Uniformierten unterworfen bleibt.
[7] Hatten sich schließlich schon
Throbbing Gristle durch das Erfinden neuer Instrumente (etwa des
Gristleizers von Chris Carter
[8]) ausgezeichnet, so wurde auch später immer wieder jedweder Hörkonsum konsequent, zuweilen bis zu bestimmten Schmerzgrenzen hin (womit auch Banales oder Stupides gemeint ist), verstört.
7. „Ich mißtraue grundsätzlich allem Digitalen.“
[9] Jim Dodge hat (dem Vorwort Thomas Pynchons hierzu folgend) in seinem Roman
Stone Junction die Beschreibung einer
analoge Magie vorgelegt, die sich gegen die Anmaßungen des Digitalen stellt. Verteidigt wird ein Netzwerk von Körpern, Körperauslagerungen und den Fertigkeiten, mit diesen umzugehen oder sich zwischen ihnen zu bewegen. Warten, Spiele spielen, Alarmanlagen überwinden, Angeln, Trinken, Drogenkonsum und -herstellung, die Kunst der Verkleidung, in Einsamkeit leben oder mit anderen zusammen, die Kunst des Beischlafes, und schließlich, sozusagen als Königsweg, die Kunst des Verschwindens. Diese
metaphysische Glückssuche (Pynchon) operiert analog und gibt nichtdigitale Antworten. Ein auf den fröhlichen Materialismus beharrender Zug hin zum äussersten Übergangsritus, der auch eine
passage à l’act ist. Mag sich hier auch ganz allgemein schon die Frage nach Gesamtkunstwerk und (gar deutscher) Romantik aufdrängen
[10], so steuert Genesis Breyer P-Orridge im Gegensatz zu Dodge keineswegs auf dessen teleologisches Ziel zu, dass all diese analogen Unternehmungen nur Vorbereitungen für den Eintritt in das
nie enden wollende Schweigen sein sollen, sondern verfolgt weitaus diesseitigere Ziele.
8. Der unbedingte Glaube und das Verlangen danach, dass es jenseits des Bewusstseins und des Selbst transformierende Energien gibt, die sich durch spezielle Praxen oder Workings aktivieren lassen. Damit erneuert die Performance- oder Aktionskunst eine neue materialistische Utopie-Dimension, die vielleicht zuvor nur bei Jerzy Grotowski so weit in diese Richtung vorangetrieben wurde.
9. L-if-E (Life if Evolution / Love if Energy): „We can re-engineer the genetic text, adjust absolutely our inherited behaviour, and attack the very foundations of pre-modern culture and stasis.“
10. „You are your own screen / you own your own screen.“ Nützt eure eigenen Körper als Leinwände, Symbole, Kodes oder Sigillen. Ununterscheidbarkeit und steter Wechsel von Produkt und Produzent, von Kreator und Kreatur! Und das hat beileibe nichts mit den Masken zu tun, deren Schwindel den Unterbau jedweder Sozialisation abgeben.
[11]
11. Gegenüber dem chirurgischen Eingriff, der sich eher der Schnittstelle denn der Falte verpflichtet weiß auf alle Fälle aber auch dem Bild, arbeitet Genesis Breyer P-Orridge doch auch mit Photos von seinen Operationen etc., was auf das Verhältnis Bild-Aktion von Rudolf Schwarzkogler zurückverweist kann man selbstverständlich auch andere Positionen einnehmen, die solches ablehnen.
[12] Wenn auch neuerdings schon das Fernsehen ästhetische Chirurgie und
sexual reassignment als Vorabendsequel propagiert .und anbietet . . .? Doch hier wird ein chirurgische Prozeß zum mystischen Akt. Einmal mehr eine
magickal agenda. Man fordert gleichsam seinen Körper oder das Bild, das von ihm von den Verwaltern oder von einem selbst gemacht wurde, zurück. Eingesetzt in das so entscheidende Gegen-einander-über von Begehren und Lust.
[13] Eine neue Pathognomik des Fleisches.
12. Das Brechen mit dem sogenannten Konsens der Wirklichkeit. Mit dem Müll des Imaginären, das immer auf’s Neue eine Realität herstellt, deren Solidität und Solidarität den Kitt gesellschaftlicher Gefüge repräsentiert. Die Dignität einer Armut, die sich von diesem Kitt nährt, ohne ihn zu verdauen oder zu rezyklieren. Kunst als artifizielles Exkrement, manifest und immanent in allen Körperflüssigkeiten, manifest und immanent in allen Wort- und Tonergüssen.
13. Ungeklärt bleiben mag das Verhältnis einer solchen Position und Faszination zu den Momenten
Wunschmaschine,
Körper ohne Organe und
machine cèlibatere.
[14] Dies kann aber im Gegenzug einer wie auch immer abgeklärten Analytik überlassen bleiben, die den hier auftretenden Intensitätsvektoren zumeist hinterherhinken wird. Was jedoch nicht zu ihrer Schande gereicht.
14. Libertine Politik gegen die Kontrolle durch das techno-politische Feld: Das Impfen der Hardware mit einer devianten Software. Wir verabreichen euch die Medizin, schenken euch die Module, die ihr selbst (in euch) einsetzen könnt. Ekstasen kann man mit einem Ensemble begreifbar machen. Niemals kann eine Beschreibung allein ersetzen, was ein Ensemble entstehen lässt und zugleich dem Untergang preisgibt.
[15]
15. Der sexuellen Intoxitation ist der Vorzug vor der biochemischen zu geben.
16. Anstatt ein Spiegel zu sein, der zeigt wie die Welt
ist, zeige ich euch meine Welt. Kommt und seht! Verwendet, was immer ihr vermögt zu eurer eigenen Transformation. Das entgeht der Spiegelfalle ebenso wie dem heroischen Überschreiten der allgegenwärtigen Fallstricke Ironie und Zynismus.
[16] Wir werden nicht dem Schatten des industrialisierten und ökonomisierten Screens gestatten und ihm überantworten, was
Leben und
Über-Leben heisst. Schaffe dir eine Seele!
17. And then Monte Cazazza was the person who suggested the slogan ,Industrial Music for Industrial People‘. Funny enough, one of the earliest thoughts was ,Factory Records‘ named after Warhol’s Factory and his idea of silkscreening painted pictures and then signing them. But we decided that was too obvious, and that Warhol wasn’t really good enough!
[17]
18. Der Körper des Künstlers oder seiner Ensembles wird zur
Schnitt- und Verbundstelle, zum Durchzugsort der Transmissionen, zum Hergestellten und doch zugleich zum Quellcode des Neuarrangements memetischer Organsation. DNA / AND. Das serielle und
und und
und und . . . einer delirierenden Kopula.
[18]
19. Es ist an der Zeit. Es bleiben nicht viele Chancen oder Würfelwürfe. Die Attacken müssen unermüdlich geführt werden. Ein Schlag versetzt dem Binärkosmos der Apoplektiker, die uns mit ihren Ptomain-Spritzen erwarteten. Die weiße Wand ist durchbrochen, der Wal ist gejagt.
[19] Kaum einer begreift, dass Peitschenhiebe die kontraexorzierende Antwort auf die allgemeine Somnolenz sind.
20. „Know thine enemy. Steal their tactics, raid their ressources and turn their weapons of mass media destruction and biological and neurological tyranny back on them.“
21. Retroaktivität: „Change the way to perceive and you change all memory.“ Re-manifest in T.I.M.E (
Time is Measured Energy). Wie das
Cut-up sprengt die lineare Rationalitätsfurche auf, die immer nur der Logik der Entscheidung überantwortet ist, de-liriert, schlägt aus der Schneise. Im Wiedereintritt solchen Tuns wird die Vergangenheit neu geschrieben. Die arkane und zugleich offensichtlichste Einsicht, dass das Selbst, der eigene Körper das Medium ist, die Spiegel der T.I.M.E zu kreuzen. Der Spiegel als Tor, nicht als Falle. Die Dämonen die sich so freisetzen, sind die „deepest, most atavistic and raw representations of the alien that we can experience. Equivalent, if you will, to a seriously hard-core DMT entity confrontation“
[20]. Wusste bereits die alte und überholte Zeremonialmagie um den Umstand, dass eben der Körper der
Frau der Altar einer karnalen Evokation sein muss, so ist es nun das E des S-E-L-F.
22. In diesem Sinne ist Kunst nun ein Fenster in der Zeit und ein Interface des Todes. Es gebiert sich das neue E, das mit verächtlicher Bewegung die
E-coli Bakterien ins Glas der Selbstgewissheit schüttet. (Wie dies in Hubert Selbys letztem Werk
Waiting Period geschieht.) Der unheimlichste aller Gäste ist der, der bleibt. Was die scheinbar unmögliche Gästin uns als Gast-Geschenk (
gift) mitbrachte sind nicht zuletzt die
Scars of E.
Fussnoten:
[1] Der als Neil Andrew Megson 1950 in Manchester geborene erschuf Genesis P-Orridge schon sehr früh. In einem erstaunlichen Interview mit Carol Tessitore bemerkt Genesis P-Orridge, dass 1965 eben dieser Genesis P-Orridge das fahle Licht der Welt erblickte. (Aber was geschah von diesem Zeitpunkt an mit Neil? Wurde er geopfert, getötet? Könnte man ihn nochmal treffen? Aber wozu eigentlich?) Nicht nur der Name veränderte sich dann im Weiteren radikal. Erst seit wenigen Jahren, als Genesis P-Orridge gemeinsam mit Lady Breyer die zwei Seiten eines Dritten im Werden befindlichen sind, lautet der Name Genesis Breyer P-Orridge. Im Folgenden werde ich diese Namensform verwenden, bei Zitaten greife ich auf die jeweils benutzte Form zurück. In letzter Zeit taucht vermehrt auch der Namenszusatz
Djin auf, der entfernt an die unhörbaren Charaden der geheimnisvollen erotischen Autorin Jean de Berg (Jeanne, Djinn, Jean) erinnert, wohl aber nichts mit diesen zu tun hat.
[2] Vgl. Simon Ford, Wreckers of Civilisation. The Story of Coum Transmissions & Throbbing Gristle, London 1999 (Black Dog Publishing).
[3] Zum antiken Ursprung der Krasis-Lehre in der Stoa vgl. vom Verf. sein Kapitel
Mischung, in: Ders., Diverse Verbindlichkeiten, Wien 1998 (Passagen Verlag), S. 149-168.
[4] Man darf diesbezgl. durchaus an David Cronenbergs Vision des
New Flesh erinnert sein.
[5] Vgl. SPLINTER TEST, in: Thee Psychick Bible (ed. by J. A. Rapoza), San Francisco 1994 (Alecto Enterprises), S. 139-143.
[6] Vgl. zu Letzterem Nikolas und Zeena Schreck, Demons of the Flesh, o.O. 2002 (Creation Books), S. 275 ff. Ebenso Austin Osman Spare, Gesammelte Werke, Wien 1990 (Edition Ananael), übersetzt von Michael De Witt. Über den enormen Einfluß des Spareschen Prinzips des „Neither-Neither“ und seiner speziellen Praxis sexual-magischer Techniken die sich zwar als extrem eigenwillige, nichtsdestoweniger aber als wahrhafte „Pfade zur linken Hand (Vama Marga)“ vorstellig machen auf Genesis Breyer P-Orridge kann hier nicht in angemessener Ausführlichkeit eingegangen werden. Deutlich und unmittelbar einleuchtend wird dies aber sofort, wenn man sich die Grundlagen des von Breyer P-Orridge gegründeten (und 1992 von ihm wieder aufgelösten) T.O.P.Y (Thee Temple Ov Psychick Youth) vor Augen führt. Auch diesen Themenkomplex wollen wir aber an dieser Stelle nur erwähnt haben; es soll vorerst also genügen eine Bezugnahme von Breyer P-Orridge auf Spare zu zitieren: „Sigils are used to enable two things to occur. 1) Effective communion with subconscious levels. 2) The lodging of a desire or wish at subconscious levels without the conscience mind being involved or aware.“ (Genesis P-Orridge, The Sigils Book, in: verbal abuse 3, New York 1994, S. 98.) Nebenbei sei erwähnt, dass Genesis Breyer P-Orridge auch Originalwerke von Spare besitzt. Vgl.dazu Genesis P-Orridge, Virtual Mirrors In Solid T.I.M.E, in: Rogue # 36/1996, S. 14 ff.
[7] Zu den „sehr handfesten“ Unternehmungen und den Anwendungen von
ultra-sonic sounds von Gensis P-Orridge und Monte Cazazza vgl. Simon Ford, op.cit., S. 9.18 ff. Zum Zusammenhang von Musik und Waffentechnik sei an dieser Stelle freilich auch an Hedy Lamarr erinnert. Hans Georg Nicklaus, Klaviertechnik für Torpedos, in: Richard Brem / Theo Ligthart (Hg.), Hommage à Hedy Lamarr, Wien 1999 (Edition Selene), S. 92-104.
[8] Vgl. Simon Ford, op. cit., S. 8.9 ff.
[9] Genesis P-Orridge im Gespräch mit Annibale Picicci; in: Artefakt # 1, S. 6.
[10] Vgl. dazu Arno Schmidt, „Funfzehn“. Vom Wunderkind der Sinnlosigkeit, Leipzig/Weimar 1982 (Kiepenheuer), S. 167-221; und Genesis P-Orridge selbst in: Thee Psychic Bible, a.a.O., S. 30.
[11] Vgl. vom Verf., Confidence Men or Hustler’s Bite and the Paradise Apple. Adnote zum Schwindel als dem Unterbau sozialer Gefüge, in: Rolf-Peter Janz et al. (Hg.), Schwindelerfahrungen, Amsterdam-New York 2003 (Rodopi), S. 83-98.
[12] Zum Beispiel Virginia Price, Seventy Years in the Trenches of the Gender War, in: Bonnie Bullough et al. (Ed.), Gender Blending, New York 1997 (Prometheus Books), S. 469-476.
[13] Vgl. Gilles Deleuze, Lust und Begehren, übers. von Henning Schmidgen, Berlin 1996 (Merve), vorallem S. 32 ff.
[14] Vgl. zur Exploration derselben sehr eingängig Henning Schmidgen, Das Unbewußte der Maschinen, München 1997 (Wilhelm Fink), bes. S. 30 f.
[15] Vgl. Hartmut Fischer / Verf., Juliettes Literatursalon. Manifest eines neuen Hedonismus, in: Carneval Erotica, Berlin 2001 (KitKatClub), S. 19.
[16] Vgl. dazu aber auch die früheren Taktikbestimmungen von Genesis P-Orridge; etwa in Simon Ford, op. cit., S. 7.17 f.
[17] Genesis P-Orridge in: RE/search # 6/7. Industrial Culture Handbook, San Francisco 1983 (V Search), S. 10 f.
[18] Vgl. vom Verf. das Kapitel
Tonos/Kopula in: Ders., Diverse Verbindlichkeiten, a.a.O., S. 169-210.
[19] Vgl. vom Verf., Die Krasis der Bilder, in: Niko Sturm, Bilder Paintings, o.O. 2004 (Jung & Jung).
[20] Genesis P-Orridge, Virtual Mirrors In Solid T.I.M.E, in: Rogue # 36/1996, S. 14. Vgl. zu diesem Aspekt auch vom Verf., Crimes of the future, in: Bernd Ternes et al. (Hg.), Einfache Lösungen, Marburg 2000 (Tectum Verlag), S. 107.